Die Chancen kleiner Parteien

Bericht vom Bundeswahlausschuss

Bundeswahlausschuss am 30.01.2025
Bundeswahlausschuss am 30.01.2025

Am 30.1. 2025, um 9 Uhr kam der Bundeswahlausschuss im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestages zu seiner zweiten Sitzung im Rahmen der Bundestagswahl 2025 zusammen. Der Bundeswahlausschuss wird von Mitgliedern der im Bundestag vertretenen Parteien besetzt. Außerdem sind dort zwei Richter des Bundesverwaltungsgerichtes vertreten. Beratungsgegenstand der über 5-stündigen Sitzung waren vor allem die Beschwerden von Parteien, deren Landeslisten von den Landeswahlausschüssen abgewiesen worden waren: insgesamt 37 an der Zahl. Die Partei dieBasis hatte bei neun Landeswahlausschüssen Beschwerde eingelegt: Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen und Thüringen. Sechs Vertreter von vier Landesverbänden waren anwesend: Dieter Bonitz, Dietmar Schmidt und Korinna Groschupp aus Berlin, Ansgar Stalder aus Schleswig-Holstein, Sylvio Schmeller aus Mecklenburg-Vorpommern und Aurelia Schleifert aus Bremen.
Die Vertrauenspersonen der Landeslisten der beschwerdeeinlegenden Parteien von dieBasis bis Team Todenhöfer bekamen im Anhörungssaal die Gelegenheit, ihre Beschwerde, die vorher schon schriftlich eingegangen war, noch einmal zu erläutern. In dieser öffentlichen Sitzung fiel mir als Erstes auf, dass den vortragenden Vertrauenspersonen meist nach kurzer Zeit von der Bundeswahlleiterin das Mikro wieder ausgeschaltet wurde. Die Sitzung war für mich sehr erhellend, wie das herrschende Altparteien-Kartell für die „nicht etablierten Parteien“ (Bundeswahlleiterin) rechtlich-organisatorische Hürden aufbaut, um diese Parteien zu benachteiligen oder vielleicht sogar auszutricksen. Und das Ganze im Rahmen geltenden Rechts.

Unterstützungsunterschriftenchaos in Baden- Württemberg

Das Unterstützungsunterschriftenchaos der Partei Team Todenhöfer wurde gleich am Anfang der Sitzung behandelt. Es war entstanden, weil das Quorum von 2.000 beglaubigten Unterschriften nur knapp erreicht worden war. Der Landeswahlleiter und die Bundeswahlleiterin hatten nacheinander die eingereichten und schon beglaubigten Formulare noch einmal überprüft. Dabei wurden weitere Unterstützerformulare aussortiert. Es ist davon auszugehen, dass bei penibler Kontrolle immer eine bestimmte Anzahl der beglaubigten Formulare, ob nun berechtigt oder fraglich, aussortiert werden kann. Teilweise wurden Unterschriften als nicht echt angesehen und aussortiert, weil nicht von einem Behinderten selbst unterschrieben, wobei allerdings die notarielle Erlaubnis vorlag. Welche Motive bei der Prüfung maßgeblich waren, kann man nur vermuten. Zum Schluss fehlten drei Formulare. Die Landesliste wurde nicht zugelassen. Für die Partei Team Todenhöfer ein bitteres Resultat.

Verkürzte Fristen ohne Verringerung des Unterschriftenquorums

Die plötzliche Vorverlegung der Bundestagswahl durch Bundeskanzler und Bundespräsident um sieben Monate wurde kombiniert mit einer Verkürzung der Fristen um etwa die Hälfte (Verordnung über die Abkürzung der Fristen im Bundeswahlgesetz für die Wahl zum 21. Deutschen Bundestag, nach § 52 Absatz 3 Bundeswahlgesetz vom 27.12. 2024). Diese verkürzte Wahlvorbereitung von 35 Tagen lag erschwerend um den Jahreswechsel herum. Wetter (Nässe, Kälte, Dunkelheit), Urlaub und Brückentage, Krankheit, Einkaufsstress und eine langsame Post waren weitere Erschwernisse beim Sammeln der Unterschriften und beim Beglaubigen in den Behörden. Aber diese Verkürzung des Zeitfaktors ging nicht einher mit einer gesetzlichen Verringerung der Menge der vorzulegenden Unterstützungsunterschriften. Unser Bundesvorsitzende Sven Lingreen hatte am 13.11.2024 in Briefen an den Bundeskanzler, an den Bundespräsidenten und an die meisten Bundestagsabgeordnete auf das Problem hingewiesen und eine gesetzlich mögliche Verringerung auf ein Viertel wie bei Corona vorgeschlagen. Das Parlament ging darauf nicht ein.

Ansgar Stalder (dieBasis Schleswig-Holstein) und Dietmar Schmidt (dieBasis Berlin) vor der Sitzung des Bundeswahlausschusses am 30. Januar 2025

Alle neun Beschwerden unserer Partei dieBasis und die Beschwerden anderer Parteien wie der Partei der Humanisten (PdH) Landesverband Berlin, der MeRA25 aus Bayern oder der Werteunion in Mecklenburg-Vorpommern wiesen auf diese Hürde hin. Die Vertrauensperson für die Landesliste Berlin Dietmar Schmidt trug dies in seiner Stellungnahme mündlich vor. Alle Beschwerden wurden vom Bundeswahlausschuss auf Grund der schon erwähnten nicht angepassten Gesetzeslage und eines Bundesverfassungsgerichturteils, das sich generell mit der Pflicht zur Sammlung von Unterschriften befasst hatte, abgewiesen.

Kleine Parteien werden seit langem behindert

Die Vertrauensperson der Ökologisch Demokratischen Partei (ÖDP) vom Landesverband Thüringen führte aus, dass die ÖDP seit 1982 die Parteieigenschaften besitzt und seit 1988 die Vorrausetzungen zur Teilnahme an der staatlichen Parteienfinanzierung erfüllt. Seit 2014 sitzt die ÖDP im EU-Parlament und besitzt darüber hinaus etwa 530 kommunale Mandate. Trotzdem muss sie seit 14 Jahren bei allen Bundes-, Landes- und EU-Wahlen die sogenannte Ernsthaftigkeit ihres Agierens mit gesammelten Unterstützungsunterschriften nachweisen. Sie wird als nicht etablierte Partei bezeichnet, obwohl sie alle Voraussetzungen, um Politik zu machen, schon lange erfüllt. (Mehr zur Klage der ÖDP findet man hier: ÖDP Bundesverband: Unterschriftenquoren)

Die Wahlrechtsreform benachteiligt kleine Parteien noch mehr

Ein Direktkandidat, der als parteiloser Einzelkandidat kandidiert, braucht lediglich die 200 Unterstützungsunterschriften und steht dann auf dem Wahlzettel. Der Direktkandidat einer nicht im Parlament vertretenen Partei braucht zunächst eine Aufstellungsversammlung, die ihn wählt, dann benötigt er die 200 Unterschriften in seinem Wahlkreis und zusätzlich braucht die Landesliste über 2.000 Unterstützerunterschriften, damit die Landesliste zugelassen wird, ohne die er nicht als Direktkandidat kandidieren kann.

Die Möglichkeit, als Direktkandidat für eine Partei anzutreten, die keine Landesliste aufstellt, ist mit dem neuen Wahlrecht seit 2023 (20/5370, 20/6015, Bundesgesetzblatt 2023 I Nr. 147) nicht mehr möglich. Das ist nicht nur eine Ungleichbehandlung, sondern eine klare Behinderung der sogenannten „nicht etablierten Parteien“. Ansgar Stalder (dieBasis Landesverband Schleswig-Holstein) wies auf diese Ungerechtigkeit hin und fragte die Bundeswahlleiterin am Ende der Sitzung, wie sie dazu stehe. Sie verwies darauf, dass dies nicht Gegenstand der Sitzung sei. Der Wahlausschuss habe nicht über die Gesetze zu befinden, sondern diese umzusetzen.

Abschließende Bewertung

Das vorhandene Wahlrecht, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und die Praxis der Listenzulassung durch die Landes- und Bundeswahlleiter führt zu einer klaren Behinderung und Benachteiligung von kleineren Parteien und hat nichts mit Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit zu tun. Wir bewerten das als undemokratische Praxis. Das Unterschriftensammeln wird jedoch in den Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes als gerechtfertigtes Verfahren angesehen.
(siehe: Bundesverfassungsgericht – Homepage – Organklage gegen Unterschriftenerfordernisse für Wahlvorschläge zur Bundestagswahl erfolglos).
Das Demokratieverständnis der Basisdemokratischen Partei Deutschland erschöpft sich nicht darin, alle vier Jahre eine Bundestagswahl abzuhalten und dabei immer wieder die gleichen Parteien zu wählen, die uns die gegenwärtigen Probleme eingebrockt haben. Wir wollen mehr direkte Demokratie, insbesondere durch Volksabstimmungen über zentrale Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Und wir wollen ins Parlament, um die demokratischen Rechte der Bevölkerung weiter in diese Richtung auszubauen. Das wird uns erst gelingen, wenn sich noch viel mehr Menschen an diesem Prozess beteiligen. Die willkürlichen und gesundheitsgefährdenden Maßnahmen der Corona-Zeit haben vielen gezeigt, zu welchen Verbrechen staatliche Organe in allen drei Gewalten und die Medien fähig sind. Nur ein organisierter und aufgeklärter Souverän kann dies in Zukunft verhindern. Das ist unser Auftrag. Dafür suchen wir Mitglieder und Bündnispartner.