von Holger Gräf
Etwas Derartiges, wie am 26. September in Berlin dürfe in der Bundeshauptstadt eines zivilisierten Landes nicht vorkommen, hatte der Bundeswahlleiter, Georg Thiel, bereits im November 2021 mitgeteilt. Nun drängt er mit Nachdruck auf eine Wiederholung der Bundestagswahl in mindestens 6 von 12 Wahlkreisen Berlins , verbunden mit dem Hinweis, dass es einen solchen Einspruch seitens eines Bundeswahlleiters in der Geschichte des Landes noch nicht gegeben hat.
Von 2117 Einsprüchen, davon allein 90% ganz oder teilweise die Bundeshauptstadt betreffend, berichtet der Wahlprüfungsausschuss. Der Bundeswahlleiter, oberste Schirmherr und Chef der Bundestagswahl, spricht auch davon, dass man das „Vertrauen in demokratische Wahlen in diesem Land wiederherstellen müsse“. Das Gesagte verdeutlicht den Umstand, den wir Mitglieder der Partei dieBasis schon lange anprangern: Im Deutschen Wahlgeschehen geht es schon lange nicht mehr so demokratisch und fair zu, wie manch ein Wähler glauben mag. Das oberste Deutsche Gremium zur politischen Willensbildung verkommt mehr und mehr zur Farce. Bereits seit mehr als 10 Jahren schwelt der Konflikt um Überhang- und Ausgleichsmandate und einem, ständig wachsenden Bundestag, doch was am 26. September 2021 in Berlin geschah, spottet jeder Beschreibung.
Chaos am Wahlsonntag
Es war sozusagen ein Chaos mit Ansage gewesen, auch wenn diese Ansage zeitlich recht kurz vor der eigentlichen Wahl stattgefunden hat. Bereits im Vorfeld hatten sich mehrere hundert freiwillige Wahlhelfer krank gemeldet. Für sie wurde Ersatz geschaffen. Nicht so für jene, die sich nicht krank gemeldet hatten, sondern einfach nicht erschienen waren. Unter ihnen befand sich auch ein Wahlvorsteher. Dessen Aufgabe wäre u.a. die Bestückung des von ihm betreuten Wahllokals mit Stimmzetteln gewesen; eine Aufgabe, die nun der Polizei übertragen wurde. Diese wiederum hatte arge Probleme damit, die Straßen überhaupt zu passieren, da diese voller Wähler waren. Zudem fand an diesem Tag der Berlin Marathon statt, dessen terminliche Planung dem damaligen Innensenator Andreas Geisel oblag – der hatte auch Auswirkungen auf die Lieferung von Stimmzetteln.
Diese Umstandände führten letztendlich dazu, dass einige Wahllokale erst mit reichlicher Verspätung öffnen konnten und dass in mindestens einem dieser Wahllokale (zumindest zeitweilig) gar nicht erst die richtigen Stimmzettel verwendet wurden. Stimmen, die auf diesen (falschen) Stimmzetteln vergeben worden waren, wurden anschließend annulliert.
Das ganze Debakel führte letztendlich zu endlose Schlangen vor den Wahllokalen und in der Folge dazu, dass diese erst deutlich nach 18:00 Uhr geschlossen und ausgezählt wurden. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Wahlberichterstattungen und Hochrechnungen der Rundfunk- und Onlinemedien bereits begonnen – es war zu erwarten, dass es hierdurch zu Wahlbeeinflussungen kam.
Drei Wahlen in einer
Anders, als in den meisten anderen Städten und Ländern, fand in Berlin nicht nur die eigentliche Bundestagswahl, sondern zeitgleich, außer einem Volksentscheid, auch eine Wahl zum Abgeordnetenhaus und eine Kommunalwahl statt. Da letztere ein Mindestalter von 16 Jahren für die Wahlberechtigung vorsieht, sowie das Wahlrecht für EU-Bürger, die ersteren beiden Wahlen jedoch ein Mindestalter von 18 Jahren, ohne EU-Bürger-Wahlrecht und da davon ausgegangen werden kann, dass Minderjährigen und EU-Bürgern in einigen Wahllokalen auch Stimmzettel für die Bundestagswahl ausgehändigt worden waren, richten sich zahlreiche der eingereichten Wahlbeschwerden nicht nur gegen die Annullierung rechtmäßiger Stimmen, sondern auch gegen Stimmen, die zu Unrecht gezählt worden waren.
Auch dieBasis hat Einspruch erhoben gegen die Nichtzulassung ihrer Landesliste Berlin, mit einer Entscheidung des Wahlprüfungsausschusses des Bundestages kann Anfang September gerechnet werden, dann müsste die Wiederholungswahl (mit denselben Kandidierenden) binnen 2 Monaten stattfinden.
Zudem gab es reichlich Einsprüche zu den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und den Bezirksparlamenten. Auch hier gab es Einsprüche von dieBasis. Mit (inzwischen sehr wahrscheinlichen) Wiederholungswahlen kann Anfang 2023 gerechnet werden.
Bundeswahlleiter fordert Wahlwiederholung, Berliner Wahlleiterin sieht keinen Grund
Besonders beschädigend für unser, einstmals demokratisches Wahlsystem sind jedoch nicht nur die offensichtlichen Pannen, die es rund um die Durchführung der Wahl gegeben hat, sondern vor allen Dingen auch die Reaktion der zuständigen Berliner Wahlleiterin, Ulrike Rockmann. Ihr zufolge sei, mit Ausnahme fehlender Stimmzettel, niemand benachteiligt worden. Darauf, dass schon ein einzelner fehlender Stimmzettel, ein einziger Wähler, der nicht wählen darf, zu viel für eine echte Demokratie ist, scheint Rockmann nicht zu kommen.
In einem Land, in dem auf Bundesebene, außer eben einer Bundestagswahl alle vier Jahre, kaum politische Einflussnahme seitens der Bürger möglich ist, nimmt eben diese Wahl einen ganz enorm hohen Stellenwert ein. Nur wenn dort nichts, aber auch rein gar nichts schief läuft und nicht manipuliert wird, wenn man jeden, noch so kleinen Fehler auf die Goldwaage legt, kann man nach Art. 20.2 GG mit halbwegs gutem Gewissen behaupten, dass alle Macht im Staat vom Volke ausgehe.
Mögliche Katastrophe für die Partei die Linke
Doch selbst wenn nun die Bundestagswahl in Teilen Deutschlands wiederholt wird, so bleibt ein irreparabler Schaden zurück. Eine Wahlwiederholung wird nicht die Wählermeinung zum 26.09.2021 widerspiegeln, sondern jene des Tages, an dem die Wahl wiederholt wird. Und dies könnte insbesondere das Aus für die Partei die Linke im Bundestags bedeuten. Die Partei war ohnehin nur durch einen Sonderfall an ihre Bundestagssitze gelangt. Sie hatte zwar die 5%-Hürde verpasst, jedoch drei Direktmandate erlangt. Eines weniger und die 37 von jetzt 39 Sitze entfallen für diese Partei.
Überhaupt betont der Bundeswahlleiter die mögliche Mandatsrelevanz der Einsprüche, das bedeutet, dass nach einer Wiederholungswahl der Bundestag eine andere Zusammensetzung haben könnte (ein ohnehin schon sehr fragwürdiges Kriterium, es lässt viel zu viele Wahlunregelmäßigkeiten unter den Tisch fallen). In solchen Fällen jedoch wird regelmäßig für Wahlwiederholung entschieden. Für den Wahlprüfungsausschuss des Bundestages allerdings ist die Mandatsrelevanz nicht das einzige Kriterium – er schwurbelt schwammig über weitere Verhältnismäßigkeitserwägungen. Kein Wunder, die jetzige Mehrheit im Bundestag hat kein Interesse an Änderungen. Doch gegen die Entscheidungen des Ausschusses gibt es einen gesetzlich vorgesehenen Beschwerdeweg zum Bundesverfassungsgericht. Die Demokratie wird siegen!
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